Das Gegenteil von loslassen ist daran festhalten, klammern, streng den Regeln folgen und alles kontrollieren. Um das Thema „Loslassen“ zu verstehen, möchte ich zuerst näher auf die Hintergründe eingehen, warum wir nicht einfach gelassen, locker und fröhlich durch die Welt spazieren.
An Materiellem hängen
Es fängt schon im Kindesalter an, wenn der geliebte Teddybär nicht mehr da ist, ist großes Drama angesagt. Doch auch später: Geht ein geliebter Gegenstand kaputt, sind wir traurig. Wird unsere heißersehnte Vespa gestohlen, entsteht ein Gefühl von tiefem Verlustschmerz. Doch warum hängen wir teilweise so sehr an materiellen Dingen? Wir haben uns an einen gewissen Lebensstandard und an alle Dinge, die um uns sind, gewöhnt! Und meistens ist es so, dass wir möglichst wenig daran ändern wollen. Ein paar Gegenstände sind unser „Liebling“ geworden, und wir hängen daran.
Eine Regel des Kölschen Grundgesetz heißt „Wat fott es es fott“. Kölner versuchen den Verlust mit Leichtigkeit zu sehen. Dann kauft man sich halt etwas Neues. Oder vielleicht kann man ja sogar darauf verzichten. Je mehr wir uns von Dingen lösen, desto mehr merken wir, dass wir auch ohne sie auskommen. Das macht uns freier, und wir leiden nicht mehr unter ihrem Verlust. Wenn wir der Materialgesellschaft den Rücken kehren, fällt außerdem eine Menge Druck ab. Wir müssen nicht mit den anderen mithalten, auch ein Häuschen bauen, und uns verschulden. Anstatt viel Geld zu verdienen, genießen wir mehr unsere Freizeit in der Natur. Wir fühlen uns leichter.
Geliebte Personen kontrollieren, an ihnen klammern
Es gibt Dinge, die in unserer Macht liegen, das ist UNSER Denken, Fühlen und Handeln. Was jedoch nicht in unserer Macht liegt, sind die Angelegenheiten von anderen Personen. Und dennoch versuchen wir, ihnen Dinge vorzuschreiben oder sie zu kontrollieren. Vor allem an unserem (Ehe-)Partner haben wir meist hohe Erwartungen. Wir können andere zum Teil beeinflussen, aber wir können nicht einfach mal so ihre Gewohnheiten ändern. Auch wenn wir es zum tausendsten Mal sagen… oder einen langen Vortrag halten. Jeder ist für sich selbst verantwortlich!
Auch hier passt die 1. Kölsche Regel sehr gut: „Et es wie et es“. Wir müssen es akzeptieren, wie andere Leute sind – mit ihren Essgewohnheiten, Macken und Verhaltensweisen. Natürlich kann man sie darauf aufmerksam machen. Aber wer will denn schon jeden Morgen hören: „Hast du genug Wasser getrunken? Jetzt esse doch nicht schon wieder ein Nutellabrot. Kannst du bitte deinen Teller abräumen.“ Passiert das in der Dauerschleife, raubt es allen Beteiligten viel Energie.
Für sich selbst verantwortlich sein, heißt aber auch, ein eigenständiges Leben zu führen. Sich nicht komplett auf andere zu verlassen. Nicht an eine geliebte Person zu klammern. Denn alles, was nicht auf natürliche Weise und aus freiem Willen geschieht, geht oft nicht gut zu Ende. Manchmal ist uns das aber gar nicht so bewusst, denn wir stecken mittendrin… und kennen es einfach nicht anders. Dazu ist es wichtig, sich mit Freunden auszutauschen.
Was also tun? Loslassen! Akzeptieren, dass jeder für sich selbst entscheidet. Sich klarmachen, dass ich eine geliebte Person eher halte, indem ich ihr Freiräume lasse, und nicht indem ich sie einenge. Einer geliebten Person (auch einem Kind) so viel zutrauen, wie es selbst kann, und vielleicht sogar ein bisschen mehr. Und sich klarmachen, dass es immer einen neuen Weg gibt, auch wenn diese Person irgendwann nicht mehr an meiner Seite ist. Das schenkt allen Freiheit. Die innere Bindung wird sogar noch stärker, da man dem anderen vertraut!
Negative Gedanken und Gefühle freilassen
Unser Kopf ist quasi die Ursache für alle Loslass-Probleme. Je weniger wir mit dem „Kopf“ denken, und je mehr wir intuitiv – also nach Bauchgefühl – handeln, desto besser fühlen wir uns dabei. Auch wenn es für uns erst einmal ungewohnt ist.
Doch dann passiert plötzlich ein unvorhersehbares Ereignis, oder wir stoßen auf ein großes Problem. Wir sehen nicht mehr das Ende vom Tunnel, und wissen keinen Ausweg. Dann fühlen wir uns schlecht, sind traurig und unsere Gedanken drehen sich im Kreis. Wir wollen am liebsten gar nicht mehr darüber nachdenken, und versuchen uns abzulenken. Doch es kommt immer wieder hoch.
Was tun?
1- Bring dein Gedanken zu Papier. Schreib alle Pros und Contras auf. Überlege dir verschiedene Lösungswege. Schreibe alle auf, was dir durch den Kopf geht.
2- Lass alle Gefühle raus. Du darfst weinen, schreien, auf einen Boxsack hauen, oder laut Musik hören. Alles, was dir guttut, ist erlaubt. Schäme dich nicht dabei. Du bist nicht die einzige, die sich so fühlen kann, und am liebsten alles rauslassen würde. Wenn du deine negativen Gefühle und den Schmerz loslässt, hast du mehr Platz für deine positiven Gefühle.
3- Öffne dich innerlich, lasse deine Gedanken und Gefühle zu. Und sage nicht zu dir, dass du doch gar nicht so denken oder fühlen darfst. Im Inneren ist alles erlaubt. Und es bekommt ja sowieso kein anderer mit, was du denkst und fühlst. Es ist dein eigenes Reich.
4- Mache dir bewusst, dass das Leben aus guten und aus schlechten Zeiten besteht. Dass man aus negativen Erfahrungen viel lernen kann. Und dass es nach einer Talfahrt irgendwann auch wieder bergauf geht.
Das „Loslassen“ wird vermutlich nicht auf Anhieb wie gewünscht funktionieren. Doch der Wille und der Mut „Loszulassen“ zählt. Und es wird jedes Mal ein wenig einfacher sein. Du wirst deine Sichtweise und deine Einstellung langsam ändern. Dinge bewusster wahrnehmen. Jeder auch nur kleinste Schritt ist bereits ein kleiner Erfolg.
Jedes Mal, wenn du eine schwierige Situation leichter nimmst, Dinge nicht so ernst nimmst, und nicht alles ganz streng nach gewissen Regeln ablaufen muss, machst du dich ein wenig freier. Dies erhöht deinen imaginären Punktestand. Buddhisten würden sagen: „Du beeinflusst dein Karma positiv.“